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AutorenbildDr. Heribert Waitzer, MSc

Cholesterin senken

Ich denke fast jeder von uns hat, wenn er an Cholesterin denkt, ein ungutes Gefühl.

Wir fürchten die Bedeutung als Risikofaktor für Gefäßverkalkungen mit den möglichen Folgen Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Der Hintergrund dieses Artikels ist, dass sich in letzter Zeit die Behandlungsmöglichkeiten deutlich verbessert haben.


Cholesterin ist kein Irrtum der Natur

Bei den negativen Eigenschaften, die Cholesterin im Körper haben kann, sollte aber die enorme Bedeutung für unseren Organismus nicht übersehen werden.

95% unseres Cholesterins sind in den Zellwänden eingebaut und dient dort zur Stabilisierung dieser biologischen Membranen. Davon findet sich ¼ im Gehirn als Isolierung um die Nervenfasern. Nur dadurch ist eine geordnete und extrem rasche Überleitung der Nervenimpulse möglich. Für das Gehirn ist das von so großer Bedeutung, dass es sein Cholesterin sogar selber produziert – und das sicherheitshalber sogar im Überschuss.

Damit soll gleich auf die Befürchtungen eingegangen werden, dass eine deutliche Absenkung des Cholesterins im Blut zur Demenz führt. Nach dem aktuelle Stand der Wissenschaft ist sogar das Gegenteil der Fall. Hohes Cholesterin ist ein Risikofaktor für Demenz. Selbst bei sehr niedrigen Werten des schädigenden LDL Cholesterins um 30 mg/dl finden sich keine Hinweise auf Einschränkungen der Gehirnleistung.

Cholesterin ist auch Ausgangsstoff für Substanzen die wichtige Steuerfunktionen im Körper haben, wie Östrogen, Progesteron, Cortisol, Aldosteron, Gallensäuren und Vitamin D.

Dafür haben wir ca 140 g dieser fettähnlichen Substanz in uns und bilden selber täglich ca 1 g nach. Nur 0,1 g werden täglich über die Nahrung aufgenommen. Mehr Zufuhr über die Nahrung führt dazu, dass der Körper selber weniger bildet. Das wird als Erklärung herangezogen, warum es so schwierig sein kann, durch eine Ernährungsumstellung die Cholesterinwerte zu senken. Lediglich bei einem völligen Umstieg auf eine vegetarische oder gar vegane Ernährungsform können doch immer wieder beachtliche Erfolge erzielt werden, die der Wirkung eines schwach wirksamen cholesterinsenken Medikamentes gleichzusetzen sind.


Ein wenig Medizingeschichte

Wer hat uns den ganzen Trubel rund ums Cholesterin beschert? Es war der Amerikaner Ancel Keys, der 1951 einen Zusammenhang zwischen den niedrigen Cholesterinwerten und der geringen Rate an Herzinfarkten der Bewohner Neapels angenommen hat. Erklärt hat er das durch deren niedrige Zufuhr von gesättigten Fettsäuren. Durch weitere Untersuchungen in 7 Ländern hat er diese These bestätigt gefunden.

Als im Jahr 1955 nach einem Herzanfall des amerikanischen Präsidenten Eisenhower dessen behandelnder Arzt ebenfalls die Ernährung dafür verantwortlich gemacht hat, begann der große Umbruch. Amerika hat dabei nicht nur die gesättigten Fette sondern alle Fette verbannt und die Nahrungsmittelindustrie ist mit Begeisterung auf diesen Trend aufgesprungen. Im Gegenzug wurden Kohlenhydrate und sogar Zucker beworben. Als zur selben Zeit der Engländer John Yudkin in seinem Buch „Pure white an deadly“ auf die Gefahren des Zuckers hinwies, wurde dessen wissenschaftliche Kompetenz in Abrede gestellt.

Obwohl das ganze schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurück liegt, werden mögliche Ungereimtheiten in den Publikationen von damals in der aktuellen Diskussion so dargestellt, als ob es der derzeitige Stand der Wissenschaft sei. Weiter befeuert wurde die Thematik durch eine pseudowissenschaftliche Publikation eines deutschen Chirurgen unter dem Titel „ Die Cholesterinlüge“ und einer darauf aufbauenden ARTE Fernseh-Dokumentation.


Meine Meinung zu diesem Diskurs ist: Die Nahrungsmittelindustrie richtet weiterhin enormen Schaden an. Die Schädlichkeit von Zucker und die Vorteile einer pflanzenbetonten Ernährung stehen für mich außer Zweifel. Fette als Nahrungsmittel sind rehabilitiert. Die Europäische Atherosklerose Gesellschaft konnte durch die Analyse von über 200 Studien mit mehr als 2 Millionen Teilnehmern den Zusammenhang zwischen erhöhten LDL Cholesterin und Herz-Kreislauf Erkrankungen nachweisen. Das genetisch bedingte Krankheitsbild der familiären Hypercholesterinämie zeigt leider auf eindrückliche Weise diesen Zusammenhang ebenfalls auf. Wir haben immer besser werdende Möglichkeiten Cholesterinerhöhung zu beeinflussen. Es sollte uns dabei aber klar sein, dass wir damit das multifaktorielle Problem der Gefäßverkalkungen nur zu einem Teil lösen können.


Was bringt Lebensstiländerung?

Die Wirksamkeit von Lebensstiländerungen im Bereich Bewegung, Ernährung und Stressmanagement nur an Verbesserungen der Cholesterinwerte zu messen, greift sicher zu kurz. Noch schlimmer wäre die Lebensstiländerungen ganz bleiben zu lassen nur weil die modernen Cholesterinsenker so ausgezeichnet wirken.


Bewegung wir auch als „polypill“ bezeichnet und man meint damit, dass man eine Vielzahl an Medikamenten einnehmen müsste, um damit nur annähernd den Effekt des einen Medikaments Bewegung zu erzielen. Eigentlich sollte man von Training sprechen um damit anzuzeigen, dass damit eine Regelmäßigkeit und Intensität verbunden ist, die in der Lage ist Veränderungen im Organismus zu bewirken. Empfohlen werden generell 150 min mit moderater Intensität oder 75 min mit gesteigerter Intensität pro Woche. Die Triglyzeride reagieren rascher auf Training – für eine Beeinflussung der Cholesterinwerte darf braucht es schon etwas mehr. In Studien konnte gezeigt werden, dass ein Trainingsumfang von 3,5 bis 7 Stunden pro Woche mit moderater Intensität zu einem Absinken der Triglyzeride um50%, zu einem Ansteigen von HDL Cholesterin um 5 – 10% und zu einem Absinken des LDL Cholesterins um 5 % führt. Beim LDL Cholesterin kommt es auch zu Änderungen, die man in den normalen Laborwerten nicht erkennen kann. Das mit LDL Cholesterin bezeichnete Lipoprotein ist nicht einheitlich. Training macht aus den schädlicheren kleinen dichteren Partikeln größere, lockere und damit harmlosere Teilchen.

Speziell wenn man nicht mehr ganz jugendlich ist und möglicherweise bereits Risikofaktoren hat, sollte man vor Beginn eines Trainingsprogrammes eine sportmedizinische Untersuchung machen lassen. Falls man bereits Statine zur Cholesterin-Senkung einnimmt können durch Sport muskuläre Beschwerden als Nebenwirkungen der Medikation stärker auftreten. In diesem Fall muss man nicht den Sport bleiben lassen, sondern durch Umstellung der Medikation versuchen eine bessere Verträglichkeit zu erreichen.


Als Ernährungsform wird die Mediterrane Kost mit Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, Nüssen, Hülsenfrüchten und Olivenöl empfohlen. In Studien kann damit das Risiko für Herz-Kreislauf Erkrankungen um 26% reduziert werden. Generalisierte Aussagen was gesund und was schädlich sei erscheinen jedoch immer fraglicher. Es konnte nachgewiesen werden, dass einzelne Personen ganz unterschiedlich auf idente Nahrungsangebote reagieren.

Ein interessanter Aspekt ist auch aus der Kritik an einer aktuellen, groß angelegten Ernährungsstudie abzuleiten. In der PURE Studie wurde 135 000 Teilnehmer aus 18 Ländern untersucht. Es zeigte sich, dass Menschen, die mehr Kohlenhydrate und weniger Fette zu sich nahmen weniger lang lebten. Möglicherweise sind aber Teilnehmer aus armen Ländern die mehr billige Kohlenhydrate zu sich nahmen und sich teure tierische Fette nicht leisten konnten durch ihre Armut früher gestorben.

Als kleine Bemerkung am Rande: die Mediterrane Kost wurde übrigens von dem oben erwähnten Ancel Keys „erfunden“ und der ist damit immerhin 100 Jahre alt damit geworden.


Dass Stress zu einer Cholesterinerhöhung führen kann, konnte gezeigt werden. Dabei sind die Geschwindigkeit und die Höhe des Anstieges individuell stark unterschiedlich. Der Mechanismus wie es dazu kommt ist nicht ganz geklärt. Die Freisetzung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol dürften dabei eine Rolle spielen.


Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.

In den späten 80er Jahren standen mit der Entwicklung der Statine erstmals wirksame Medikamente zur Cholesterinsenkung zur Verfügung. In den folgenden Jahren wurde an der Verbesserung der Wirksamkeit und der Verträglichkeit gearbeitet um schließlich die sogenannten „Power-Statine“ auf den Markt zu bringen. Durch die Statine wird die Bildung von Cholesterin in der Leber verringert. Leider kommt es, wie bei vielen wirksamen Medikamenten, auch zu Nebenwirkungen. Muskelkaterartige Beschwerden ist das Symptom, das vom Patienten am häufigsten berichtet wird. Wie sehr die Erwartungshaltung durch das Medikament derartige Beschwerden zu bekommen mit eine Rolle spielt, ist Gegenstand der Forschung. Man nennt das den Nocebo Effekt. Vorsicht ist jedenfalls geboten, da tatsächlich relevante Schädigungen der Muskulatur auftreten können. In Österreich werden ca. 800 000 Menschen wegen einer Fettstoffwechselstörung mit Medikamenten behandelt. Ca. ¾ davon nehmen Statine. Es hat fast drei Jahrzehnte gebraucht bis mit den PCSK 9 Hemmern ein Wirkprinzip entdeckt wurde, das sowohl stärkere Wirkung als auch beinahe Nebenwirkungsfreiheit aufweist. Die PCSK 9 Hemmer, die 2015 auf den Markt gekommen sind, haben nur zwei Nachteile: man muss sie alle 14 Tage spritzen und sie sind extrem teuer. Auf Grund des Preises sind diese Medikamente Patienten mit einer hohen oder sehr hohen Risikosituation vorbehalten.

Damit sind wir bei einem wichtigen Punkt angelangt. Nicht der Zahlenwert am Labor Zettel alleine entscheidet darüber wer ein Medikament nehmen soll. Es werden nicht Labor Ergebnisse behandelt sondern immer ganze Menschen. Grob unterscheidet man vier Risikogruppen. In den Gruppen mit fast keinem und moderaten Risiko empfindet man sich meist gesund. Das Risiko errechnet sich aus einem Risiko Score in dem Alter, Geschlecht, Blutdruck, Cholesterinwert und Raucherstatus eingehen. Das angestrebte Ziel des LDL Cholesterinwertes von 115 bzw. 100 mg/dl kann unter Umständen mit Lebensstilmaßnahmen erreicht werden. In den Gruppen mit hohem oder sehr hohem Risiko liegt meist eine manifeste Erkrankung vor. Wenn man Diabetes hat, fällt man in die Gruppe mit hohem Risiko, wenn auch Folgeerscheinungen des Diabetes, wie zum Beispiel Netzhautveränderungen vorliegen hat man sogar ein sehr hohes Risiko. Bei bereits vorliegenden Gefäßverkalkungen hat man ebenfalls ein sehr hohes Risiko. Dann sollte der Cholesterinwert auf 55 mg/dl , bei hohen Risiko auf 70 mg/dl abgesenkt werden.

Diese Werte erreicht man nur durch Mithilfe von Medikamenten.

Die neue Medikamentengruppe der PCSK 9 Hemmer bewirkt dabei, dass Cholesterin vermehrt von der Leber aufgenommen und abgebaut werden kann.

Die aller neueste Entwicklung ist 2021 auf den Markt gekommen. Ein Medikament das nur mehr alle 6 Monate gespritzt werden muss. Man spricht daher, medizinisch nicht ganz richtig aber dafür beeindruckend, von einer Impfung gegen Cholesterin.

Sollten derartige Substanzen in der Zukunft auch zu einem für das Gesundheitswesen leistbaren Preis angeboten werden, ist eine wichtiger Schritt gegen die derzeitige Unterbehandlung der Fettstoffwechselstörungen getan.

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