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Kontinuierliche Glucosemessung (CGM) beim Nicht-Diabetiker

Aktualisiert: 5. Sept. 2023

Was man messen kann, kann man beeinflussen. Bericht über 14 Tage kontinuierliche Glucosemessung


Rückseite des freestyle libre Sensors mit feiner Kapillare zur Aufnahme des Gewebswassers
feine Kapillare an der Rückseite des Sensors

Vor mehr als 20 Jahren hat die Möglichkeit die eigene Herzfrequenz kontinuierlich zu messen Einzug in unser Alltagsleben genommen. Mittlerweile ist es selbstverständlich beim Sport eine Pulsuhr zu tragen. Ähnlich verhält es sich derzeit mit der Zuckermessung.

Zunächst wurden Messungen des Blutzuckers bei Diabetikern nur blutig mit Laborgeräten durchgeführt. Dann kamen die Geräte zur blutigen Selbstmessung. Die Verwendung von Systemen der nächsten Generation zur kontinuierlichen Blutzuckermessung durch meine diabetischen Patienten, hat mir oft viel Überzeugungsarbeit abverlangt. Man stempelt sich dafür einen ca 2 cm großen dünnen Sensor auf die Rückseite des Oberarms. Eine nicht spürbare, extrem dünne Kapillare ragt dabei knapp unter die Haut. Es wird der Zuckergehalt im Gewebswasser gemessen.


Jedoch habe ich derzeit den Eindruck, dass CGM zu einer begehrten Methode für Nicht-Diabetiker geworden ist, um den gesunden Lebensstil zu tracken, Gewicht zu reduzieren, das Training zu optimieren und eine Ernährungsumstellung durchzuführen. Ich möchte in weiterer Folge zeigen, dass das auch zurecht so ist.


Daraus ergeben sich für mich 3 Fragen:

Was nützt es

Was schadet es

Was kostet es


ad 1.) Nutzen

Frau mit Glucosesensor am rechten Oberarm
Sensor diskret unter einem Physiotape versteckt

Die Systeme messen mittlerweile mit sehr hoher Genauigkeit den Zucker in der Gewebsflüssigkeit. Dieser wiederum korreliert, mit leichter Zeitverzögerung, sehr eng mit dem Zuckergehalt des Blutes. Wenn der Zucker im Blut ansteigt, schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus, um den Blutzucker in die Körperzellen (zu einem großen Teil in die Muskelzellen) zu schleusen. So weit so gut. Leider haben aber wiederkehrende, hohe Insulinausschüttungen auch eine Reihe von Nachteilen. Die Fettzellen werden durch Insulin gleichsam zugesperrt und es wird kein Fett mehr zur Energiegewinnung verwendet. Es kann in weiterer Folge zu einer überschießenden Blutzuckerabsenkung kommen - das bedingt die Ausschüttung von Stresshormonen, wie zB Cortisol und die Entstehung von Heißhunger mit wahrscheinlich neuerlicher Zuckerzufuhr. Durch beide Mechanismen geht der Zucker wieder in die Höhe und die Reise auf der Zucker-Hochschaubahn beginnt von Neuem. Nach und nach entwickelt sich eine verminderte Wirksamkeit des Insulins an den Körperzellen (Insulinresistenz) und es sind immer höhere Mengen an Insulin erforderlich um eine gleiche Wirkung zu erzielen. Insulin ist aber auch ein Wachstumsfaktor mit zum Teil sehr negativen Auswirkungen - es fördert das Wachstum von Tumorzellen und von Zellen der Gefäßwand

Somit ist eines klar: wenn man Gefäßverkalkungen, Stoffwechselprobleme, Abnahme der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit vermeiden möchte, wäre man gut beraten, keine hohen Insulinspiegel zu haben. Nun messen wir mit einem CGM System nicht die Insulinwerte, sondern die Zuckerwerte - aber eines ist klar - hohe Zuckerwerte bedingen hohe Insulinwerte. Allerdings ist auch zu beachten: ein stoffwechselgesunder, gut trainierter Mensch mit ausreichend Muskulatur wird eine bestimmte Menge Zucker im Blut mit weniger Insulinanstieg „wegräumen“ können als eine Person mit Insulinresistenz und wenig Muskulatur. Insgesamt gibt es 5 Stellschrauben, wie man das Zuckertagesprofil positiv beeinflussen kann: Ernährung, Training, Stressmanagement, Schlafqualität und Zufuhr von Stoffen wie zb Zimt bis hin zu Medikamenten wie zB Metformin.


5 Stellschrauben zur Beeinflussung des Zuckertagesprofils

Ernährung

Training

Stressmanagement

Schlafqualität

Supplements


Natürlich beginnt man mit einem CGM Sensor am Oberarm mit diesen 5 Stellschrauben zu experimentieren.

Einige Erfahrungen aus diesen Experimenten sind: hochintensives Training aber auch Rasenmähen in Hanglage in der Mittagssonne können den Zucker ebenso in die Höhe treiben wie zwei Marmeladetoasts in der Früh. Ersteres ist aber trotzdem gesünder. Stress - auch positiver Stress (Eustress) - treibt den Zucker ebenso in die Höhe wie drei Kugeln Eis. Nicht nur der Abfall des Zuckers auch der rasche Anstieg kann müde machen. Ballaststoffe zB in Form eines Salates zu Beginn einer Mahlzeit wirken sich günstig aus. Der wichtigste Punkt ist meiner Meinung nach aber, dass jeder Mensch unterschiedlich und individuell reagiert. Spannend wäre, ob man mit entsprechender Übung seine körpereigene Wahrnehmung so verfeinern könnte, dass man spürt, ob der Zucker bei 100 mg/dl oder bei 140 mg/dl ist. Immerhin kann man ja mit entsprechender Erfahrung den Messwert einer Pulsuhr recht genau vorhersagen. In den bisher zwei mal 14 Tagen mit dem CGM-Sensor ist mir das nicht gelungen und die Messungen waren immer wieder überraschend und lehrreich. Mit einer pflanzenbetonten Ernährung mit ausreichend Eiweiß und gesunden Fetten liegt man aber meist richtig.


Zuckertagesprofil einer CGM Messung mit normalen Werten
Relativ guter Tag - geringe Spitzen durch Essen und Training

Blutzuckertagesprofil mit Blutzuckerspitze durch stärkehaltige Nahrungsmittel
Stärkehaltige Beilagen, in dem Fall Nudeln, sollte man auslassen, wenn man Blutzuckerspitzen vermeiden möchte

Somit hat die Verwendung eines Sensors großen Nutzen, wenn es darum geht, nicht allgemeinen Ratschlägen zu folgen, sondern auszutesten, was individuell richtig ist. Vielleicht findet sich auch eine Erklärung, warum gerade das Gewicht abnehmen nicht zum gewünschten Erfolg führen will.


Drei Zielparameter

Durchschnittswert möglichst niedrig

Streuung der Messwerte niedrig

Nur wenige Blutzuckerspitzen pro Tag


Woran kann man erkennen, ob man gut unterwegs ist? Es haben sich drei Zielparameter bewährt. Erstens der durchschnittliche Zuckerwert über die gesamte Zeit sollte möglichst niedrig sein. Zweitens die Streuung der Messwerte beim Vergleich der Tage untereinander sollte gering sein und drittens die Anzahl der Blutzuckerspitzen pro Woche sollte möglichst gering sein. Dabei haben wir einen Wert von über 136 mg/dl als Spitze definiert.


Overlay der Blutzuckertagesprofile von 14 Tagen
Die schwarze Linie ist der Mittelwert, der dunkelblaue Bereich zeigt an, wo 95% der Messwerte gelegen sind


ad2.) Kann man mit dem Tracken der Zuckerwerte Schaden anrichten?

Wenn man mit einem Sensor herumläuft, entwickelt man eine Gewohnheit, immer wieder mit dem Handy den Messwert abzufragen. (Der Sensor, den wir getragen haben war ein freestyle libre 2, bei dem man einen Zahlenwert mit nearfield communication auf das Handy bekommt, wenn man eine Abfrage aktiviert. Der Verlauf von 8 Stunden zuvor wird als Graphik übertragen.) Nach 14 Tagen ist der Sensor abgelaufen und wird entfernt. Ich habe mich danach dabei ertappt, dass ich weiterhin mit dem Handy zum Oberarm hinfahren wollte, um einen Zuckerwert abzuholen. Man lächelt darüber und denkt sich, dass man relativ schnell in ein Kontrollverhalten gerutscht ist. Falls man aber unter einer Ess-Störung leidet oder von der Vorstellung geplagt wird, dass man bei der Ernährung alles 100% „richtig“ machen müsse, dann sollte man lieber die Finger von derartigen Geräten lassen - es könnte erheblich schlimmer werden.


ad 3.) Preis

Der von uns verwendete Sensor FreeStyle Libre 2 kostet 65,90 (inkl. Ust) und hält 14 Tage. Die App, die man zum Auslesen am Handy braucht (FreeStyle Libre Link) ist kostenlos. Somit kommt ein Tag messen auf 4,71 Euro.


Wenn Du Deinen Stoffwechsel besser kennenlernen möchtest und ihm sogar etwas Gutes tun willst, dann ist aus meiner Sicht eine 14 tägige Lernerfahrung mit einer CGM Messung genau richtig. Du erfährst, wie Deine hormonelle Steuerung über das mächtige Insulin und das Stresshormon Cortisol, um nur zwei zu nennen, Deine Zuckerwerte beeinflussen. Und damit erklärt sich auch, wie sich Deine Fettspeicher und somit auch das Fett in Deiner Leber verhalten.

Zum Schluss wieder zurück zur Analogie mit der Pulsuhr. Sowohl bei der Pulsuhr als auch bei der CGM Messung empfehle ich, vorausgesetzt man hat keine medizinischen Erfordernisse, die Technik dann auch wieder mal zur Seite zu legen und die eigene Wahrnehmung für Belastung und Ernährung zu schulen und danach zu handeln.


Solltest Du Unterstützung bei Deinem CGM - Ausflug brauchen, wir wären bereit.






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